Die Presse, 15.01.2010 - Manager 2010: "Der sechste Sinn fürs Management"
Welche Führungskompetenzen nun gefragt sind und warum Schönwetterpiloten in Krisenzeiten leicht ins Strudeln kommen.
Die letzte Ausgabe der jährlichen „CEO Succession-Studie“ von Booz & Company, bei der der Fokus auf „CEOs in der Krise“ und neuen Manager-Talenten lag, spricht eine deutliche Sprache. Zwei Drittel der „neuen“ CEOs hatten schon zuvor Verantwortung für das Gesamtbusiness – in der Krise suchen Aufsichtsräte also erfahrene und operativ aktive Firmenchefs. Alle CEOs brachten zu generellen Managementkompetenzen auch funktionales Wissen mit. Klaus Hölbling, Booz-Geschäftsführer in Österreich: „Leadership sollte auf einem breiten Set von Kompetenzen ruhen. Grundbestandteile sind neben Managementskills etwa internationale Einsetzbarkeit und die Fähigkeit, sich selbst und vor allem andere weiterzuentwickeln.“ Ist also die Zeit der Teamplayer anstelle der charismatischen Einzelkämpfer gekommen? „Die Anforderungen an CEOs und Manager haben sich in den letzten zehn Jahren signifikant geändert. Traditionelle Führungskompetenzen wie die Fähigkeit, andere zu inspirieren, sind dabei weiterhin wichtig. Aber heute müssen Manager auch mit interkulturellen Teams arbeiten und diese zu Spitzenleistungen führen können.“
Erfahrung punktet jetzt doppelt
Zu einem ähnlichen Schluss kommt Silke Eisenreich vom Headhunter Egon Zehnder International: „Verband man lange Zeit die Geschicke eines Unternehmens mit der Führungsperson an der Spitze, tritt in schwierigen Zeiten die Teamarbeit in den Vordergrund. Führungskräfte sollten Teams motivieren bzw. geradezu auf neue Herausforderungen einschwören‘ können.“ Hans Jorda, CEO von Neumann&Partners,spricht vom „sechsten Sinn fürs Management“: „Es ist eine Mischung aus Bauchgefühl und Analyse. Heute kann man nicht nur nach Zahlen führen, es braucht Fingerspitzengefühl, um in Ruhe die richtigen Entscheidungen treffen zu können.“ Schließlich gelte es in Zeiten wie diesen Mitarbeiter bei der Stange zu halten: „Aufgrund sich täglich ändernder Kennzahlen in Panik den besten Vertriebsmann zu kündigen, wäre fatal. Erfahrung punktet jetzt doppelt.“ Ein CEO, der sich als krisenerprobter Teamcoach bewährt hat, ist Wolfgang Anzengruber, seit einem Jahr Vorstandsvorsitzender beim Verbund: „Wer jetzt die Ruhe bewahrt, hat schon fast gewonnen. Und wer in der Krise eine Chance erkennt, ist Sieger. Es braucht Optimisten, die keine Panik verbreiten, sondern klare Strukturen undOrientierung bieten und immer das Ohr bei den Menschen haben.“ Dass er selbst Chancen zu erkennen weiß, zeigt die Bilanz seiner ersten Monate: Durch den Kauf von 13 Wasserkraftwerken am bayerischen Inn stieg der Verbund zum viertgrößten Wasserkraftkonzern Europas auf.
Sind Frauen krisenfester?
Für Jorda sind vor allem Frauen aufgrund der „höheren sozialen Intelligenz und größeren Härte, wenn es um saubere Entscheidungen geht“, prädestinierte Krisenmanager. Wie etwa Regina Prehofer, die zeitgleich mit dem Ausbruch der Finanzkrise von der Bank Austria zur Bawag wechselte und nun als Vorstand das gesamte Privat- und Firmenkundengeschäft in Österreich verantwortet. in beiden Sparten konnte die Bank 2009 deutlich zulegen. Auch für sie ist eine der wichtigsten Kompetenzen von Managern 2010, Chancen zeitgerecht zu erkennen: „Veränderungsbereitschaft sollte man aktiv leben, daraus folgt die nötige Entschlossenheit und Transparenz, um diese Entscheidungen nach innen und außen zu kommunizieren.“ Für Silke Eisenreich ist Krisenmanagement nicht geschlechtsspezifisch, aber: „Führungskräfte sollten Diversity als Chance begreifen und demnach Spitzenteams zusammenstellen. Frauen bringen oft andere Lösungsmöglichkeiten als Männer ein und verbreitern somit die Chancen für Innovation.“ Inwiefern sind Erfolge von gestern ein Garant für den Erfolg von morgen? Jorda: „Showleute sind in der Hochkonjunktur überbewertet. In Schönwetterzeiten würde eine Firma vielfach auch von alleine laufen. In der Krise zeigt sich aber, wer was kann. Stille Manager mit Substanz kommen jetzt besser zur Geltung.“ Team- und Werteorientierung sei dabei freilich ein Gebot der Stunde: „Nur wer moralisch unantastbar ist, kann auch viel von seinen Mitarbeitern verlangen.“